Universitas GmbH & Co. KG

Die Druckfarbe der ersten attempto! war noch nicht ganz trocken, da zeigte es sich schon deutlich: Der Trend zur Ökonomisierung wird sich nicht auf die Universitätskliniken beschränken, sondern alle Bereiche der Hochschule erfassen. Von allen Seiten wird derzeit Konkurrenz- und Marktfähigkeit, Effektivitätsoptimierung, Kosten/Nutzen-Analysen und Managementstrategi-en auch an der Universität eingefordert - allesamt Kriterien aus Wirtschaft und Industrie. Soll aus der Hochschule eine Firma, eine Universitas GmbH & Co. KG werden? Eine kontroverse Diskussion dazu bietet Ihnen das TOPTHEMA.

Konsens dürfte darüber bestehen, da▀die Universitäten sich in einer strukturellen Krise befinden. Die galoppierenden Veränderungen im Umfeld, in der gesamten Gesellschaft, in der Neuverhandlung überkommener Besitzstände und Solidaritäten können an der Institution Universität nicht spurlos vorübergehen. Aber kann mehr Marktwirtschaft die Krise der Hochschulen wirklich lösen? Nicht nur sind Vokabular wie Denkweisen von Wirtschaftsbetrieben der Universitätsidee weitgehend fremd, auch widerspricht ihre Autonomie, ihr interner Aufbau mit den unabhängigen Fakultäten und Instituten dem, was man im allgemeinen unter einer 'Firmenstruktur' versteht. Auf der anderen Seite lockt der ökonomische Weg mit dem Versprechen, aus der drückenden Finanzkrise zu entkommen. Also: Wieviel Marktwirtschaft verträgt die Hochschule?

Mit dieser Frage klopfte die Redaktion zunächst bei zwei Professoren der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an. Werner Neus und Wolfgang Wiegard antworten: Die Universität denkt - der Markt lenkt. Anhand konkreter Beispiele entwickeln sie ein überraschendes Verständnis vom künftigen Verhältnis zwischen Geist und Geld.

In den nächsten drei Beiträge kommen Skeptiker zu Wort. Die Professoren Joachim Knape (Allgemeine Rhetorik) und Klaus-Detlef Müller (Germanistik) halten den Wirtschaftswissenschaftlern entgegen, die Universität sei lediglich Bedingt ökonomisierungsfähig - und sie zeigen, da▀dies keineswegs eine Schwäche der Institution ist, sondern gerade ihre Stärke sein kann. Da▀selbst so mancher Unternehmer die Hochschule als Partner mit eigenständiger Organisationsform schätzt, erfuhren wir in unserem Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der B. Braun Melsungen AG. Ludwig Georg Braun schlägt Reformen vor, doch für weitergehende strukturelle Veränderungen müsse man In die Universität hineinhören. Die leitende Redakteurin des Tübinger Universitätsradios Sigi Lehmann schlie▀ lich sieht in der Frage Universitas oder Firma? eine falsche Alternative und skizziert in Thesenform einen dritten Weg.

Ob solche Skepsis überhaupt eine Chance hat, wollten wir bei einem Blick auf die Praxis überprüfen. So haben einige andere Länder ihr Hochschulwesen bereits nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten umstrukturiert. Daniel Fallon, Professor für Psychologie und Öffentliche Verwaltung an der University of Maryland, vergleicht Das Modell USA und die deutsche Hochschullandschaft. Er plädiert für eine - auch finanzielle - Konzentration auf wenige Forschungsuniversitäten. Der Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Universität Utrecht Wolfgang Stroebe, ein ehemaliger Tübinger, beschreibt Das Modell Niederlande: Auf dem Weg zur flexiblen Universität, dessen Kern er in der Aufhebung starrer Personalstrukturen sieht. In Deutschland umgeschaut hat sich attempto!-Redakteurin Jutta Schönberg, die wissen wollte Wie sich Uni verkauft. Gefunden hat sie Marketing und Sponsoring im Experimentierstadium.

Bei der Lektüre der Beiträge bekamen wir Lust, sofort in die Diskussion einzusteigen. Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, ähnliche Bedürfnisse verspüren sollten: Schreiben Sie uns. Gar zu gerne möchten wir nämlich eine Rubrik LESERBRIEFE einrichten. Da▀ unser TOPTHEMA quasi 'überschie▀ t' zeigt sich auch in anderen Rubriken. So finden Sie in STUDIUM UND LEHRE sowie in UNIBUND weitere Beiträge zu Fragen der Finanzierung und Qualitätssicherung der universitären Leistungen.

Gefreut hat uns, da▀ es trotz der gegenwärtig schwierigen Lage noch einiges zu feiern gibt. Entspannen von den anstrengenden Diskussionen können Sie sich beim Special Schlo▀ museum, das wir anlä▀ lich der Eröffnung im Mai in Bild und Text präsentieren. Gratulieren kann man auch dem Seminar für Allgemeine Rhetorik zu seinem Doppeljubiläum, das Anla▀ war für das PORTRÄT.

Die Redaktion

Presse MAIL (michael.seifert@uni-tuebingen.de)

Presseamts-Info@www.uni-tuebingen.de(dezelski@uni-tuebingen.de) Stand: 17.10.96 Copyright